Die Digitalisierung ist ein Sammelbegriff für einen facettenreichen Wandel der in fast allen Bereichen unseres Lebens Einzug gehalten hat. Dieser Wandel wird angetrieben durch digitale Technologien, die einen starken Einfluss auf Dinge des täglichen Lebens nehmen. Auch auf unser Verhalten und unsere Kommunikation.
Den Wandel möglich machen die exponentiell steigenden, technischen Entwicklungen der letzten Jahre. Ausdruck finden sie in der Konnektivität von Geräten, in der Kollaboration von Mensch und Maschine oder im zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz in Industrie und Wirtschaft.
Die Digitalisierung hat direkte Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und unser Privatleben. In der Arbeitswelt, in der allgemeinen Nutzung von Maschinen, in Entscheidungs- und Auswahlprozessen und in unserer Kommunikation und Wahrnehmung. Und so wirkt sich die Digitalisierung auch auf das Auftreten und die Kommunikation eines Unternehmens aus.
Alles digital!?
Konkret wird die Auswirkung der Digitalisierung z.B. in der Entwicklung und Steuerung von Auftreten (Corporate Design) und Kommunikation (Corporate Communications) von Unternehmen.
Beginnen wir mit dem Corporate Design: Das Verständnis des Begriffs Corporate Design wird durch die Digitalisierung immer weiter aufgebrochen und neu interpretiert. Der Grund: Grenzen verschwinden und neue Wirkungsräume kommen hinzu. Das führt zu der Frage, ob Corporate Design in Zeiten des digitalen Wandels für Unternehmen noch die gleiche Bedeutung hat wie vor 10 Jahren.
Ein Beispiel: War das Logotype vor vielen Jahren noch ein Datensatz, der streng von den Marketingverantwortlichen eines Unternehmens gehütet und nur an ausgewählte Produktioner herausgegeben wurde, so lässt sich das gleiche Logo heute in Sekundenschnelle online herunterladen und bereits mit kostengünstigen Grafikprogrammen bearbeiten. Ein willkürliches Verändern und Nutzen eines Logotypes ist also kaum noch zu vermeiden. Ein uniformes, klar definiertes Auftreten bietet einem Unternehmen nach wie vor wichtige wirtschaftliche Vorteile. Jedoch muss jedes Element innerhalb des Corporate Designs auf die steigende Relevanz der technischen Möglichkeiten reagieren können. Das Gleiche gilt im übrigen für die Kommunikation: Starre, allein auf klassische Kanäle (Print, TV, Radio) ausgerichtete Kommunikationsmaßnahmen haben heute selten den Erfolg, den sie noch in der Vergangenheit hatten.
Neben den Möglichkeiten schafft die Digitalisierung eine steigende Komplexität. Manche Unternehmen versuchen dieser u.a. durch eine Anpassung der Struktur bzw. der Zusammenarbeit mit Agenturen zu begegnen. Große Unternehmen mit entsprechenden finanziellen Möglichkeiten bauen sich in-house eigene Agenturen oder gliedern diese in das Unternehmen ein, um möglichst alle Fäden gebündelt in der eigenen Hand zu halten. Beispiele hierfür sind die Agentur Neongelb, ein 100%iges Tochterunternehmen der Commerzbank, welches mittlerweile ein 60-köpfiges Team beinhaltet. Oder die „customized Agency“ Bobby&Carl, die Ende 2016 von der Agentur Thjnk und dem Industriekonzern Thyssenkrupp gegründet wurde.
Anforderungen durch die Digitalisierung
Die Menge an Berührungspunkten mit einem Unternehmen hat sich durch die Digitalisierung, ebenso wie die Anzahl der Kanäle über die Unternehmen und Kunde in Kontakt treten, enorm vergrößert.
Die digitale Präsenz auf unterschiedlichen Plattformen und die damit verbundene digitale Kommunikation kann im Grunde nicht mehr allein durch einen Styleguide gesteuert werden. Nötig sind stabile, leicht weiterzuentwickelnde Bausteine (Gestaltungselemente). Nur so kann ein konsistenter Auftritt über alle Berührungspunkte hinweg gewährleistet werden. Dazu bedarf es keiner hundert-Seiten-umfassenden Corporate Design-Manuals, sondern verständlicher Systeme, die am besten digital und somit für alle relevanten Personen zugänglich sind, z.B. in Form eines Brand Management Systems (kurz: BMS).
Sind die einzelnen Bausteine des Unternehmensauftrittes so anwenderorientiert, dass der Umgang mit ihnen intuitiv möglich ist, können Auftreten und Kommunikation problemlos auf alle relevanten Berührungspunkte übertragen werden. Egal ob print, digital oder im dreidimensionalen Raum. Die Anwendungen eines modernen Unternehmensauftritts erstrecken sich heute neben den klassischen Touchpoints bereits von Digital Signage, Head-up-Displays, Virtual und Augmented Reality bis hin zu Ad-Clips und Multi-Touch-Applications.
Auswirkungen auf das Auftreten und die Kommunikation hat auch das Verhalten der unterschiedlichen Anspruchsgruppen. Nicht nur Kunden und Geschäftspartner, auch die breite Öffentlichkeit hat heute immer die Möglichkeit, das Image des Unternehmens positiv oder negativ zu beeinflussen. Durch Kommentare, Kritiken und Bewertungen und die vielen digitalen Kanäle und Zugänge des Unternehmens. Durch den starken Einfluss wächst der Wunsch, die Marke auch mitzugestalten und weiterzuentwickeln, um noch mehr mit ihr und ihren Attributen verbunden zu sein.
Die Branding Agentur Wolff Olins hat dies bereits früh erkannt und bereits 2007 im Vorfeld der olympischen Spiele 2012 ein Logo entwickelt, welches die Fans herunterladen und verändern und für die eigene Kommunikation nutzen durften (und sollten). Sicherlich wären viel von ihnen zu Marken- bzw. Olympiabotschaftern geworden. Der Idee wurde jedoch nicht realisiert, weil das olympische Komitee Sorge um den Markenkern der Spiele hatte. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt jedoch, dass der Ansatz von Wolf Olins seiner Zeit voraus war.
Interaktive und dynamische Bestandteile eines Corporate Design sorgen heute für einen erfolgreichen Transfer der Marke in digitale Systeme und Plattformen. Das hat auch Audi AG erkannt. Die 2016 neu aufgesetzte Plattform für Corporate Identity audi.com/ci ist öffentlich zugänglich. Alle relevanten Elemente aus dem Corporate Design und dem Interface Design stehen abrufbar zur Verfügung. Auf die zuvor gängigen PDF-Dateien wird verzichtet.
Fazit: Auftreten und Kommunikation öffnen sich
Die Berührungspunkte mit einem Unternehmen werden parallel zu den Interaktionsmöglichkeiten weiter zunehmen. Das führt dazu, dass Auftreten und Kommunikation noch schneller als zuvor an die sich verändernden Rahmenbedingungen angepasst werden müssen. Ist ein Erscheinungsbild nur für starre Medien und Maßnahmen konzipiert, verliert es an allen dynamische Touchpoints der digitalen Welt an Wirkungskraft.
Zunehmend werden User Interfaces, wie etwa von Smartwatches oder Head-Up-Displays zum Mittelpunkt des Erstkontaktes mit einer Marke. Alle Elemente von Auftreten und Kommunikation werden sich daran orientieren. Und so bleibt die einzige Konstante der Wandel.
Der Fokus moderner Unternehmensauftritte sollte auf einem konsequenten Zusammenspiel von Design, Kommunikation und dynamischer Inszenierung liegen. Dabei muss keinesfalls auf allen (digitalen) Hochzeiten getanzt werden. Unternehmen und Agenturen stehen in der Pflicht, die für das jeweilige Unternehmen wirklich relevanten Berührungspunkte auf Basis einer genauen Analyse der Customer Journey zu bestimmen. Um an diesen Punkten die DNA der Marke bestmöglich zu transportieren brauch es klarer, aber nicht zu strenger Richtlinien. So bleiben Auftreten und Kommunikation lebendig, aber auch im Alltag handhabbar.