Bei der Entwicklung von neuen Funktionen, Services und Produkten wenden Unternehmen häufig nur klassische Methoden der Marktforschung an, die lediglich auf der Erfassung und Analyse von demografischen und faktenbasierenden Daten wie Alter, Einkommen, Familienstand, Internetnutzung und Hobbies basieren. Noch schlimmer ist es, wenn sich unternehmen bei der Zielgruppenanalyse nur auf ein Bauchgefühl oder die Meinung aus dem Vertrieb verlassen.
Die bei der klassischen Marktforschung erfassten Daten sind häufig schwer greifbar und so entwickelt unter Umständen jeder für das Marketing verantwortliche Mitarbeiter eines Unternehmens eine eigene Vorstellung über die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppe. Dadurch kann sich die teaminterne Kommunikation verkomplizieren und/oder es werden Lösungen an der Zielgruppe vorbei entwickelt.
Um ein besseres, greifbareres Bild der Zielgruppe zu erstellen hat Allen Cooper in den 80er Jahren eine Methode entwickelt, die Unternehmen dabei hilft, die Bedürfnisse ihrer Ziel- und Fokusgruppen zu verstehen und zu beschreiben. Diese Methode nennt sich „Personas“.
Was sind Personas?
Eine Persona ist ein hypothetischer User oder Konsument. Diese fiktive Person mit individuellen Eigenschaften steht stellvertretend für die Mitglieder einer realen Fokusgruppe, die eine Applikation, eine Website, einen Service oder ein Produkt später auch tatsächlich verwenden.
Die drei Schritte zur Erstellung einer Persona
1. Planung und Daten-Analyse
Die Basis der Personas bilden klassische Marktforschungsdaten und Zielgruppenanalysen (z. B. nach Geschlecht, Alter etc.), aber auch Businesspläne, Briefings und Strategiedokumente, CRM-Daten, Informationen aus Usabaility-Tests, Umfragen aus dem Vertrieb sowie das Kundenfeedback aus E-Mails. Je mehr Informationen aus Umfragen und Analysen zur Verfügung stehen, desto detaillierter lassen sich Personas entwickeln. Aus diesen Daten werden zunächst exemplarische Nutzer/Consumenten extrahiert. Diesen Daten fügt man in den folgenden zwei Schritten hypothetische, aber naheliegende persönliche Eigenschaften wie Namen, Aussehen, Beruf, Bildung, Interessen, Fähigkeiten und Erfahrungen hinzu, um so das Bild eines fiktiven, aber prototypischen Nutzers zu komplettieren. So ersetzt ein Persona die abstrakte Masse der späteren Nutzer.
2. Daten aufbereiten und organisieren
Mit Hilfe von Clustern und Matrizen werden alle gesammelten Daten aufbereitet, um dann Gruppen mit vergleichbaren Charaktermerkmalen, Anforderungen und Bedürfnissen zu bilden.
Dafür eignen sich beispielsweise die folgenden vier Kategorien:
Kategorie 1: Charakteristika
Zur Charakteristika zählen demographische Informationen der Persona (Alter, Geschlecht, Wohnort, Familienstand u.ä.) Informationen zur Persönlichkeit, spezifischem Fachwissen oder besonderen Fähigkeiten.
Kategorie 2: Ziele und Aufgaben
Welche Hobbies und Leidenschaften teilen die Mitglieder der Persona-Zielgruppe? Übernehmen sie gerne besondere Aufgaben (wie z. B. ehrenamtliche Tätigkeiten)? Gibt es spezifische Lebensziele der Persona?
Kategorie 3: Motivation
Welche Faktoren beeinflussen diese Persona-Gruppe bei Kaufentscheidungen (angebotenen Zahlungsmethoden, Produktauswahl u.ä.)?
Haben die Persona spezifische Vorbilder (z. B. Sportler, Pop- und Filmstars, Politiker, Eltern)? Welche Faktoren wirken sich negativ auf Kaufentscheidungen der Persona aus (z. B. negative Erfahrungen mit anderen Online-Shops)?
Kategorie 4: Anforderungen und Bedürfnisse
Wie hoch ist das Informationsbedürfnis der Persona über ein Produkt oder eine Dienstleistung (spontane Bauchentscheidungen oder „rationale“ Überlegungen auf Basis von Fakten)? Auf welchen Medienkanälen informiert sich die Persona (online/offline, mittels Fachzeitungen oder persönliche Empfehlungen)? Welche Erwartungen (Produktqualität, Nutzwert , Design/Aussehen, Image) und Bedürfnisse gibt es in dieser Persona-Gruppe? Wie hoch ist das Sicherheitsbedürfnis der Personas?
Die aufgezeigten Die Kategorien können je nach Belieben erweitert oder gekürzt werden. Oftmals werden nicht zu jedem Punkt Informationen vorhanden sein. Dann ist es durchaus möglich, Annahmen zu treffen, um möglichst umfangreiche Beschreibungen der jeweiligen Persona-Gruppen zu erhalten.
3. Personas definieren
Im letzten Schritt werden, basierend auf den kategorisierten Informationen, die eigentlichen Personas gebildet , indem man die Daten ähnlich einer Vita in kurzer Biographieform auf den Punkt bringt. Dabei bekommen die Personas auch einen Namen und werden mit einem Portraitfoto versehen. Informationen zu Hobbies, Freundeskreis, Job, Studium, Elternhaus, Motivation und Bedürfnissen können ebenfalls mit Fotos visualisiert werden.
Je umfangreicher die Beschreibung der Persona ist, desto einfacher wird es am Ende sein, sich mit der Persona zu identifizieren und sie optimal zu nutzen.
A) Primary-Personas:
Primary-Personas repräsentieren ihre Hauptzielgruppen und die für Ihr Unternehmen wichtigsten Kunden. Erstellen Sie nicht mehr als maimal fünf Personas. Sonst besteht die Gefahr, dass sich die Projektmitglieder verzetteln, Personas vertauscht werden und die Vielzahl an Personas eher für Verwirrung sorgen und somit zu Demotivation führen.
B) Secondary-Personas:
Secondary-Personas repräsentieren Randzielgruppen, die für Ihr Business ebenfalls wichtig sind und gegebenenfalls entwickelt werden können. Secondary-Personas werden im bestenfalls nur dann zusätzlich erstellt, wenn es sich um ein sehr großes Projekt handelt oder die Personas längerfristig unternehmensweit verwendet werden sollen.
Personas als Tool im Unternehmen etablieren
Personas sind nicht in jedem Fall für alle Projektmitarbeiter sofort greifbar. Sollen Personas genutzt werden, braucht man auf breiter Ebene die Unterstützung und Akzeptanz der Mitarbeiter. Je nach Unternehmenskultur sollte die interne Einführung behutsam erfolgen. Spricht man selbst regelmäßig von Personas und beginnt diese in Meetings und Diskussionen zu erwähnen, kann dies die Neugierde der Mitarbeiter wecken.
Im Projektraum die Persona-Profile aufzuhängen und diese in Präsentationen einzubauen kann ebenfalls die Akzeptanz zur Nutzung der Personas fördern. Mit etwas Durchhaltevermögen ermöglichen Sie so den Projektteilnehmern, sich schrittweise an den Umgang mit den Personas und deren Anwendung zu gewöhnen.
Im besten Fall „denken und handeln“ die Projektbeteiligten nach einiger Zeit wie die erstellten Personas (im Rahmen des Projektes) und können auch in Meetings, Gesprächen oder Präsentationen aus Sicht der Personas argumentieren und somit Lösungen entwickeln, die sich am Kunden orientieren.
Personas als Tool im Entwicklungsprozess nutzen
Haben sich die Projektbeteiligten an den Umgang mit den Personas gewöhnt, können diese benutzt werden, um die entwickelten Lösungen, Produkte und Services mit dem Blick „durch die Kundenbrille“ zu testen. Der jeweilige Tester versetzt sich dann vollständig in die Rolle der Persona und durchläuft den neu entwickelten Prozess, benutzt das Produkt, testet die Software oder nutzt die Serviceleistung bewertet den Test aus seiner bzw. der „individuellen“ Sicht der Persona.
Fazit
Personas helfen Produkte und Services treffsicherer zu entwickeln, eignen sich aber nicht für jedes Unternehmen.
Erforderlich ist eine offene Unternehmenskultur und projektbeteiligte Personen, die bereit sein müssen, sich auf eine Art „Rollenspiel“ einzulassen. Sind die Bedenken und Hemmschwellen zu groß, sollte die Einführung von Personas gut überlegt werden, denn die Entwicklung der Personas ist nicht innerhalb kurzer Zeit möglich, sondern erfordert Vorbereitung, Zeit und Diskussionen.
Sind Unternehmen und Beteiligte jedoch offen für dieses Tool, ist der Nutzen im Vergleich zur Reduzierung auf klassischen Marktforschungsemethoden sehr groß.
Mitarbeiter können sich mit Hilfe von Personas von eigenen Bildern möglicher Kunden lösen und Annahmen auf Fakten basierend treffen.
Eine konsequente Umsetzung ermöglicht das Entwickeln kundennaher Lösungen.