Gesunde Unternehmen entwickeln sich im Lauf ihres Bestehens kontinuierlich. Sie erweitern ihre Serviceleistungen, die Produktpalette und erschließen neue Märkte. Da ist es nur eine logische Schlussfolgerung, dass sich auch Design und Erscheinungsbild einer neuen, inhaltlichen Ausrichtung anpassen müssen.
Nun so geschehen bei der Lufthansa, die nach 29 Jahren und zum 100 jährigen Bestehen des Kranich-Markensymbols (1918 von Otto Firle entworfen und 1989 zuletzt überarbeitet), erstmalig ihr Corporate Design signifikant überarbeitet hat.
Das bis vor kurzen bestehende Erscheinungsbild, welches unter Aichers Leitung in den 60er-Jahren entwickelt wurde, gilt als eine der bedeutendsten Corporate Design Systeme des 20. Jahrhunderts und war bis dato eine „Designikone“.
Das nun neue beziehungsweise modifizierte Erscheinungsbild zeichnet sich vor allem durch eine behutsam überarbeitete Version des Kranich, einer Ergänzung der Hausschrift, sowie einer Neujustierung des Farbklimas aus.
Die Bildmarke – der Kranich
Der Kranich wurde an einigen Stellen verschlankt, die Binnenräume zwischen den Federn und Flügeln vergrößert (siehe Abb.). Insgesamt wirkt der Kranich nun samt ebenfalls verschlanktem Kreisring deutlich filigraner und eleganter. Damit lässt er sich vor allem in kleinere Größen und beim Einsatz in digitalen Medien besser abbilden.
Corporate Typography
Die bisherigen Hausschriften Lufthansa Head und Lufthansa Text werden nun von einer neuen Schrift, für die sich der Schriftgestalter Hannes von Döhren verantwortlich zeichnete, ergänzt.
Farbklima
Gelb wird als Sekundärfarbe reduziert und in Zukunft nur noch akzentuierend eingesetzt. „Gelb dient künftig der Orientierung, Aktivierung, Differenzierung und setzt besondere emotionale Momente.“ sagt Lufthansa-Designchef Ronald Wild zu diesem Schritt.
Stattdessen steigt ein dunkles Blau zur neuen Primärfarbe der Lufthansa auf. Unternehmensseitig heißt es hierzu: „Ein edler Farbton mit viel Tiefe, der das Premiumverständnis von Lufthansa perfekt zum Ausdruck bringt“.
Fazit #1 – Schön schön
Formalästhetisch aus meiner Sicht und soweit ich an den bisherigen Beispielen beurteilen kann, eine im wahrsten Sinne des Wortes „saubere“ Arbeit und als strategische Maßnahme nachvollziehbar vom Unternehmen erläutert. Dennoch hinterlässt das neue Corporate Design gerade in Bezug auf den Einsatz der Farben eine gewisse Skepsis bei mir.
Modernism vs. Recognition
Das „Spiegelei“ – die gelbe Kreisfläche mit Kranich auf blauem Grund, die bislang alle Leitwerke der Lufthansa-Flotte geziert haben, wird es zukünftig nicht mehr geben. Das ist bedauerlich, denn es gibt nur wenige Unternehmen weltweit, die eine so bekannte Farbmarke mit extrem hohem Wiedererkennungswert ihr eigen nennen dürfen bzw. durften. Den Wegfall des markanten, gelben Kreises wird damit argumentiert, dass er sonst nirgends im Corporate Design auftaucht. Stattdessen wird das überarbeitete, nun sichtbar magere Bildzeichen in weiß auf eine dunkelblaue Fläche gestellt.
Leider ist Blau die am häufigsten eingesetzte Unternehmensfarbe weltweit und gerade unter Airlines, aufgrund ihrer farbpsychologischer Aspekte, sehr beliebt. Differenzierung ade.
Nach einem Bericht des Spiegels wächst auch intern bei den Lufthansa-Mitarbeitern der Unmut über das neue Design der Flotte, die darin eine Farbähnlichkeit zur Billigflug-Air France Linie „Joon“ sehen.
Ein weiteres Argument das gegen den Wegfall der Farbmarke spricht ist die Fernerkennung der Flugzeuge. Der gelbe Punkt auf blauem Grund reichte aus, um ein Lufthansa Flugzeug auch aus der Entfernung und bei schlechten Lichtverhältnissen als solches zu identifizieren. Das „Lesen“ der Bildmarke war dazu nicht erforderlich.
Der neue, zarte Kranich auf dunkelblauem Grund ist aus der Distanz schwerer wahrzunehmen. Das dunkle Blau wirkt bei entsprechenden Lichteinflüssen noch dunkler, das zarte Bildzeichen droht optisch zu zulaufen. Was beim flüchtigen Betrachten sichtbar bleibt, ist ein dunkles Leitwerk.
Das Bildzeichen und der Schriftzug wird in diversen Anwendungen nun ebenfalls in weiß auf gelbem Grund gesetzt werden. Der geringe Kontrast (Gelb als hellste, bunte Farbe in Kombination mit Weiß als hellste, unbunte Farbe) sorgt allerdings ebenfalls für eine suboptimale Lesbarkeit, insbesondere bei hinterleuchteten Anwendungen.
Fragmentierung und Markenchaos
Nach Angaben der Lufthansa wird die Umrüstung 7 Jahre dauern und dabei müssen neben der Flotte auch ca. 160 Millionen Gegenstände neu „gebrandet“ werden. Wir werden demnach in den nächsten Jahren das alte und neue Corporate Design nebeneinander sehen. Diese Salami-Taktik ist aus Investitionssicht sicher nachvollziehbar, vermittelt der Öffentlichkeit durch das fragmentierte Erscheinungsbild aber eher Chaos als Ordnung und trägt nicht gerade zur Bildung eines prägnanten und geschlossenen Markenauftritts bei. Das in der Abbildung gezeigte Idealbild wird es in den nächsten Jahren voraussichtlich erst einmal nicht geben.
Fazit #2
Das neue Design besitzt zweifelsohne eine hohe ästhetische Qualität, ist aufgeräumt, klar, edel und wird dem neuen Businessanspruch der Lufthansa gerecht. Auf mich wirkt es etwas kühl und distanziert. Die Entwicklung zu minimalistischen und damit häufig weniger differenzierenden Erscheinungsbildern – die auf die Platzierung des Logotype als zentrales, identitätsstiftendes Element angewiesen sind – beobachte ich seit einiger Zeit bei vielen Unternehmen.
Trotz des handwerklich tipptopp ausgeführten Corporate Designs könnte der über Jahre geplante Re-Branding-Prozess die Marke Lufthansa schwächen und sich hinsichtlich einer stringenten Markenführung als kontraproduktiv herausstellen.
Und wer weiß, vielleicht kehrt die Lufthansa – ähnlich wie die Deutschen Post (nach der Privatisierung) – in einigen Jahren oder nach einem Führungswechsel wieder zu Gelb als differenzierende Markenfarbe zurück.
Die Pressemitteilung der Lufthansa Group finden Sie hier.
Zum neuen Design hat die Lufthansa auch eine Microsite unter www.explorethenew.com angelegt.